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Recht

Sind digital unterzeichnete Verträge in der Schweiz gültig?

By 8. März 2024März 31st, 2024No Comments

Zunehmend wollen Unternehmen ihre Verträge auch digital abschliessen. Der steigenden Nachfrage nach digitalem Unterzeichnen steht inzwischen ein breites Angebot an E-Signatur-Diensten gegenüber. Viele Verträge werden jedoch auch mit einer eingescannten Unterschrift oder dem Akzept von AGB in einem Online-Shop geschlossen.

In diesem Zusammenhang stellt sich stets die Frage der Gültigkeit des Vertragsschlusses. Was muss beachtet werden, um sicherzustellen, dass Verträge auf elektronischem Weg gültig abgeschlossen werden können?

Grundsatz: Elektronisch / digital abgeschlossene Verträge sind rechtsgültig

Das Schweizer Recht basiert auf dem Prinzip der Formfreiheit. Gemäss Art. 1 Abs. 1 OR kommt ein Vertrag durch übereinstimmende gegenseitige Willenserklärung der Parteien zustande. Die Form, in der die Vertragsparteien ihren Willen bekunden, steht ihnen frei. Verträge können mündlich, per Email, digital, über einen Onlineshop oder in jeder anderen geeigneten Form abgeschlossen werden.

Folgende Verträge können z.B. formfrei bzw. digital (ohne „echte“ elektronische Signatur!) abgeschlossen werden:

  • Kaufverträge
  • Aufträge
  • Werkverträge
  • Akzeptieren von AGB
  • Arbeitsverträge
  • Mietverträge
  • Lizenzverträge

Es gibt nur wenige Ausnahmen von diesem Grundsatz. Wenn das Gesetz für bestimmte Vertragsarten oder -klauseln Formvorschriften vorsieht (Art. 11 OR). Dies ist z.B. bei Testamenten, Ehe – und Erbverträgen und Konsumkrediten der Fall. Im Geschäftsalltag sind diese Arten von Verträgen und deren Formvorschriften daher kaum relevant.

Keine teure und komplizierte "echte" E-Signatur notwendig - Verträge einfach digital unterschreiben

Die meisten Verträge des KMU Geschäftsalltags können in der Schweiz formfrei geschlossen werden. Man kann sie daher auch «elektronisch» (z.B. mit einem Click, Unterschrift auf IPad, eingescannte Unterschrift, Email etc.) schliessen. Man braucht als KMU Unternehmen daher keine teuren und komplizierte E-Signatur Lösung mit einer „echten“ digitalen Signatur.
Eine «echte» digitale Signatur hat mit einer handschriftlichen Unterschrift mit einem Kugelschreiber auf Papier nichts gemeinsam. Für die Rechtsgültigkeit ist nicht das äussere Erscheinungsbild entscheidend, sondern vielmehr das digitale Zertifikat. Dieses stammt von einer geprüften Zertifizierungsstelle und wird der Signatur elektronisch beigefügt wird.
Das Gesetz über die elektronische Signatur sowie die Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS Verordnung) unterscheiden drei Standards. Die Beweiskraft der elektronischen Signatur nimmt mit steigendem Standard zu. Anbei die verschiedenen Arten der digitalen Signatur bzw. die Signatur Standards:

  • Einfache elektronische Signatur (EES)
  • Fortgeschrittene elektronische Signatur (FES)
  • Qualifizierte elektronische Signatur (QES)

Die EES wird vom Gesetzgeber nicht detailliert definiert und erfordert nicht zwingend ein Zertifikat. Daher wird sie in vielen Fällen nicht als echte digitale Signatur betrachtet. Beispielsweise gilt selbst eine eingescannte Unterschrift als eine Form der EES.
Es existieren für die EES verschiedene e-Signaturlösungen von diversen Anbietern. Beispiele hierfür sind DocuSign, Skribble, Adobe Acrobat oder SignNow. Diese wie bereits im Geschäftsalltag völlig ausreichend.
Im Gegensatz dazu sind die FES und insbesondere die QES immer kryptografisch verschlüsselt und durch ein Zertifikat bestätigt. Somit handelt es sich dabei stets um „echte“ digitale Signaturen. Um eine qualifizierte elektronische Signatur (QES) zu verwenden, ist ein Zugang über einen anerkannten Anbieter für E-Signaturen erforderlich. Die Einführung eines FES/QES ist kompliziert und teuer und für KMUs kaum lohnend.
Zudem muss bei FES/QES die Gegenpartei – der Kunde – immer identifizier werden (online oder physisch mit einer Passkopie). Für den Kunden ist dies zeitaufwändig und er muss auch die Kosten für die Identifizierung tragen.
Weiter ist zu bedenken, dass bei einer FES/QES auch immer die Person, welche den Vertrag unterzeichnet, mit Namen und Emailadresse exakt angegeben werden muss. Oftmals wissen KMUs aber nicht, welche Person bzw. welche Personen, einen Vertrag beim Kunden unterzeichnen werden. So ist es durchaus üblich, dass mit jemandem ein Geschäft geschlossen wird, beim Kunden intern jedoch jemand anderes, mit welchem man noch nie Kontakt hatte (z.B. der CFO) den Vertrag unterzeichnet.
Die Variante mit einer „echten“ FES/QES Signatur ist daher für die meisten KMU – insbesondere im B2C Bereich – nicht praktikabel.

Fazit: Aus Gründen der Beweiskraft Verträge als KMU nicht nur mündlich abschliessen

In der Schweiz wählen viele Unternehmen aus Gründen der Risikominimierung Vertragsformen, die ein höheres Mass an Nachweisbarkeit bieten. Und dies, obwohl das Gesetz dies nicht explizit verlangt und ein mündlicher Vertragsschluss durchaus gültig wäre.
So werden oft formfreie Verträge trotzdem auf Papier gedruckt und handschriftlich unterzeichnet. Verträge werden daher in der Praxis schriftlich geschlossen, obwohl dies gesetzlich nicht zwingend erforderlich ist.
Auch mündliche Vereinbarungen werden häufig per E-Mail, mittels EES oder durch eine elektronische Offerte von Kunden rückbestätigt. In der Praxis ist auch der Austausch von digitalen Unterschriften über eingescannte PDF-Dokumente verbreitet. Damit ist eine Nachweisbarkeit der mündlichen Vereinbarung gegeben.
Mit zunehmender Bedeutung eines Vertrags und steigenden Risiken empfiehlt es sich, die (freiwillig erfüllten) Formanforderungen entsprechend zu erhöhen. Die Bedeutung eines Vertrags lässt sich anhand seiner finanziellen Relevanz, der eingegangenen Verpflichtungen und der Vertragsdauer beurteilen.
Für Unternehmer ist es ratsam, bei höheren Risiken selbst auferlegte Formanforderungen zu intensivieren. In einem gerichtlichen Streitverfahren ist es aus Gründen der Beweiskraft vorteilhaft, über den Nachweise des Vertragsschlusses zu verfügen. Dieser Nachweis kann entweder in schriftlicher Form (z.B. unterzeichneter Vertrag) oder elektronischer Form (z.B. Email, Bestätigung Offerte, elektronische Unterschrift, digital signieren, Bestätigung Onlineshop) erfolgen.

Die Experten der Alpinum Accounting stehen Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Yves Maurer

Yves Maurer, Geschäftsführer

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